Swimmingpool

Es gibt wenige Sehnsuchtsorte, die weltweit im kollektiven Gedächtnis verankert sind und sich vor allem aus Erinnerungen an die eigene Jugend zusammensetzen. Die erste Liebe, der erste Kuss, Schwimmbadpommes und viel nackte Haut. Bei Swimmingpool denke ich eher an Charlotte Rampling, als an Romy Schneider. Ich sehe Bilder von Stephen Shore vor mir und mir kommt „Little Children“ in den Sinn. Die letzten Tage im Juni 1990 in Addis Abeba haben wir in einem Schwimmbad verbracht, bevor wir in das leere Ost-Berlin zurückkehrten und uns an die neue Zeit gewöhnten.

Das Schauspiel Leipzig nahm am diesjährigen Theatertreffen mit 89/90 teil, einer Bühnenfassung von Peter Richters gleichnamigen Roman. Die Jugendlichen sind zur Wendezeit etwas älter, als ich es war, aber ihre Geschichten sind mir durchaus vertraut. Im Sommer 1989 treffen sie sich häufig nachts in einem Schwimmbad und ziehen ihre Bahnen, rauchen und reden. Diese unwirkliche Atmosphäre des nächtlichen Schwimmens wird tagsüber unterbrochen vom sich auflösenden DDR-Alltag, großartig mit einem Chor umgesetzt, der die Schauspieler durch ihre nervenzerfetzenden Dialoge und Monologe begleitet. Was hat jetzt noch Bestand, wohin geht die Reise und wer sind jetzt die Feinde? In diesem Durcheinander war Helmut Kohl tatsächlich nicht mehr als eine flüchtige Figur, die kurz über den Massen schwebte und dann verschwand. Geblieben waren der Konsum und eine unaufgearbeitete Jugend mit militärischem Drill.

Meine dritte und damit letzte Inszenierung des Theatertreffens, welche ich besucht habe, war „Pfusch“ von Herbert Fritsch. Hier öffnet sich nach dem Baden im Schwimmbad nicht der eiserne Vorhang, sondern er schließt sich. Der Sehnsuchtsort, die große Spielwiese, der Sommer – sie alle sind vorbei und das anfänglich rastlose Hämmern auf alten Klavieren verklingt. „Schön“ war es gewesen, beteuern die Schauspieler und ich verbleibe etwas ratlos zurück. Die Volksbühne ist durchgespielt und für manchen mag es ein endloser Sommer gewesen sein. Aber auch der geht vorbei.

Everyone’s gonna get high

Den Mai habe ich mir auserkoren für Theaterbesuche und solcher gleichen. Gemeinhin bringt er ja neues, der Mai. Er begann mit der letzten Aufführung von „Kill you darlings“ von René Pollesch, der Absage an lose Netzwerke und Scheinhuberei. Melancholisch stimmte mich vor allem die Tatsache, mit was für einem Optimismus das fünf Jahre alte Stück angetreten war und wo sich die Welt inzwischen befindet. Fern von großen linken Ideen und man hofft wieder nur, nicht die ganz große Scheiße am Hacken zu haben.

Das Schauspiel Dortmund ging mit dem gleichen Anspruch an die großen Fragen der Zeit mit der „Borderline Prozession“ und scheiterte. Nicht unbedingt an der Aufmachung, die war sicherlich grandios. Aber es gab außer diffuser Gefühligkeit und allzu bekannten Zitaten keine Neuigkeiten. Schauspieler sollten nicht nur Staffage sein und mit dem Publikum interagieren. Das habe ich ein wenig vermisst an diesem Abend, der mit einem grandiosen Vollmond über der Spree in Schöneweide aufwartete.